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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Kirche
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:01.01.2000
Aktenzeichen:VK 17/01
Rechtsgrundlage:§§ 2, 33, 43 Verordnung für die Vermögens- und Finanzverwaltung der Kirchengemeinden (Verwaltungsverordnung – VwO) vom 26. April 2001 (KABl EKvW 2001 S. 137 ff.), § 46 VwGG, § 114 VwGO i.V.m. § 71 VwGG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Kirchenaufsichtliche Genehmigung, Genehmigung, Mobilfunkanlagen, Ermessensabwägung, Vermögensverwaltung, Schöpfungsverantwortung
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Leitsatz:

DIES IST NUR EIN MUSTERURTEIL: Bald finden Sie hier wichtige Urteile
Die Nachholung der im Ursprungsbescheid unterbliebenen Ermessensabwägung im Widerspruchsbescheid ist zulässig, auch deren Ergänzung (Konkretisierung) im gerichtlichen Verfahren.
Die der Abwägung zugrunde liegenden Abgrenzungen, Daten, Werte und Zahlen müssen alle erreichbaren Fakten betreffen und nach einer wissenschaftlich vertretbaren Methode ausgewertet werden sowie nicht nur auf eine wissenschaftliche Studie beschränkt sein.
Das Landeskirchenamt ist nicht gehindert, bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit über staatliche Anforderungen hinauszugehen, insbesondere in Wahrnehmung der Verantwortung gegenüber Mensch und Schöpfung, die zu den dienenden Funktionen kirchlicher Vermögensverwaltung gehört.

Tenor:

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20.. in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.. mit ihrer schriftlichen Ergänzung in diesem Klageverfahren wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Genehmigung des Presbyteriumsbeschlusses vom … 20.. über den Abschluss eines Vertrages über eine Nutzung auf dem Grundstück der Klägerin, verzeichnet im Grundbuch von …, Flur …, Flurstück ...., unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
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Tatbestand:

Anfang Juni 2000 wendete sich das Kreiskirchenamt H. (KKA) an das Landeskirchenamt (LKA) mit der Bitte um Prüfung eines Vertragsentwurfs der ...GmbH mit der Klägerin (Klin.) über die Nutzung auf einer Teilfläche des im Eigentum der Klin. stehenden unbebauten Flurstücks , Gemarkung , Gemeinde , Kreis . Die Anlage sollte .... enthalten, davon 21 in .... Einem entsprechenden Beschluss des Presbyteriums der Klin. stimmte der Kreissynodalvorstand (KSV) am ... August 20.. zu. Gegen eine kirchenaufsichtliche Genehmigung bestanden nach einer internen Mitteilung des Baureferats an das Dezernat .. des LKA vom 26. September 2000 keine Bedenken.
Wegen Änderung von Grundfläche und Preis fasste das Presbyterium der Klin. am ... Februar 20.. einen neuen Beschluss zu dem Mietvertrag, dem der KSV am ... Februar 20.. zustimmte. Am ... März 20.. beantragte das KKA für die Klin. beim LKA die kirchenaufsichtliche Genehmigung.
Inzwischen hatte allerdings das LKA in einer Sitzung am ... Nov. 20.. beschlossen:
„Der Nutzungserweiterung der bestehenden Verträge und der damit verbundenen Erhöhung der ... wird nicht zugestimmt. Mietverträge mit ähnliche Nutzungsmöglichkeiten werden nicht genehmigt.(Az.: A .... Bauten)“
Diesem Beschluss liegt eine mehrseitige Vorlage vom ...November 20.. zugrunde, die „die Nutzung in kirchlichen Gebäuden“ betrifft. Auf ihren Wortlaut wird Bezug genommen.
Unter dem Datum vom ... Janur 20.. schrieb sodann das LKA an das KKA H. mit Durchschrift für das Presbyterium der Klin. u.a.:
„… eine Genehmigung Ihres vorgelegten Beschlusses in Verbindung mit dem Mietvertrag zwischen der Evangelischen Kirchengemeinde … und der GmbH kann nur dann in Aussicht gestellt werden, insofern die Option gänzlich aus dem Vertragswerk wie auch aus der Ausführungsplanung entnommen wird …“
Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht.
Das KKA H. fasste dies als Ablehnung der kirchenaufsichtlichen Genehmigung auf und legte mit Schreiben vom ... April 20.. beim LKA Widerspruch ein. Nach Hinweis des LKA beschloss auch das Presbyterium der Klin. am ... Mai 20.. Einlegung des Widerspruchs und teilte diesen Beschluss nebst Begründung mit Schreiben vom ... Mai 20.. dem LKA auf dem Dienstweg mit.
Die Klin. begründete ihren Widerspruch damit, dass der Vertrag in seinem Wortlaut dem von der EKD herausgegebenen Vertragsmuster entspreche und weder geltendes Recht noch ethische Grundsätze verletze.
Die Klin. habe einen Anspruch auf Erteilung der kirchenaufsichtlichen Genehmigung, weil der Presbyteriumsbeschluss nicht gegen geltendes Recht verstoße. Sämtliche staatlichen und kirchlichen Rechtsvorschriften seien beachtet worden. Insbesondere liege auch die Zustimmung der Stadt Werl als staatlicher Bauaufsichts- und -planungsbehörde und als Untere Naturschutzbehörde vor.
Bei Nichtgenehmigung ergebe sich ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil.
Wenn die Klin. das Grundstück nicht zur Verfügung stellen könne, würde die Anlage gleichwohl in etwa an der jetzt vorgesehenen Stelle entstehen, da dem Mobilfunkbetreiber auch das Grundstück eines Nachbarn zur Verfügung stehe.
Aus Vorsorgegründen und Gründen der allgemeinen Gefahrenabwehr sei die Genehmigung zu Recht versagt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Wortlaut des Bescheids Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Klin. mit ihrer Klage. Sie macht weiterhin geltend, dass sie einen Anspruch auf Erteilung der kirchenaufsichtlichen Genehmigung habe.
Grundstücke, die nicht unmittelbar kirchlich genutzt würden, seien nach der Verwaltungsordnung (VwO) zu vermieten oder zu verpachten. Der Vertragsabschluss bewirke unmittelbar die Umsetzung dieser Vorgaben. Durch die langfristige Sicherung erheblicher Einnahmen verbessere sich die finanzielle Ausstattung der Klin.
Die Klin. beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids erneut zu entscheiden,
hilfsweise,
ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Begründung der ergangenen Bescheide, ergänzt und vertieft sie. Insbesondere führt sie in ihrer Stellungnahme vom ...Februar 20.. aufgrund eines Hinweises des Kammervorsitzenden aus:
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Bekl. Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Gericht ist bei der vorliegenden Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Dies bedeutet, dass die „Verordnung für die Vermögens- und Finanzverwaltung der Kirchengemeinden, der Kirchenkreise und der kirchlichen Verbände in der Evangelischen Kirche von Westfalen (Verwaltungsverordnung – VwO)“ vom ... April 20.. (Kirchliches Amtsblatt) maßgebend ist, die in Kraft getreten ist.
Das LKA der Bekl. hat die Freiheit der Entscheidung hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen, denn die maßgebende VwO enthält abgesehen von der Vorlage bestimmter Unterlagen (§ 43 Abs. 2 Nr. 4) keine besonderen Vorgaben.
Da es sich bei der ablehnenden Entscheidung vom 26. März 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ...Oktober 20.. um eine Ermessensentscheidung handelt, unterliegt die gerichtliche Überprüfung den Einschränkungen des § 46 VwO. Insbesondere kann das Gericht die Entscheidung nicht in ihrem materiellen Inhalt überprüfen. Dem Gericht obliegt nur die Prüfung, ob die Ablehnungsentscheidung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer nicht dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
In der ursprünglichen Entscheidung des LKA vom ... März 20.. fehlt eine Ermessensabwägung überhaupt. Sie enthält lediglich allgemeine Hinweise . unter Bezugnahme auf das generelle Rundschreiben des LKA vom ... November 20.., die Stellungnahme des Umweltbeauftragten des Rates der EKD und der AGU vom .... Januar 20... Die zum Wesen einer Ermessensentscheidung gehörende einzelfallbezogene Abwägung von für oder gegen die Genehmigung sprechenden Gesichtspunkten ist nicht erkennbar.
Dies hat das LKA der Bekl. zulässigerweise in der Widerspruchsentscheidung nachgeholt.
Die Überprüfung durch das Gericht anhand der bisher vorliegenden Dokumente ergibt, dass es an Hinweisen .fehlt, auf die sich die Bekl. im Verwaltungsverfahren berufen hat. Aufgrund eines entsprechenden Hinweises des Kammervorsitzenden vom ... Januar 200.. hat sich die Bekl. inhaltlich dahin geäußert, dass eine Unterscheidung durch die Bekl. nicht (mehr) vorgenommen wird. Eine Erhöhung ergebe sich vielmehr durch die verbundene Anzahl.
Diese Ergänzung (Konkretisierung) der Ermessenserwägungen aus dem Verwaltungsverfahren im gerichtlichen Verfahren ist zulässig. Sie ergibt sich aus § 114 S. 2 der staatlichen Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der gem. § 71 VwGG entsprechend anzuwenden ist. Besonderheiten des kirchlichen Rechtsschutzes stehen dem nicht entgegen. Die in § 46 VwGG enthaltene Regelung der Nachprüfung von Ermessensentscheidungen regelt nur den Umfang der Nachprüfung abschließend, schließt aber kirchengesetzlich die Ergänzung (Konkretisierung) der Ermessenserwägungen aus dem Verwaltungsverfahren im kirchengerichtlichen Verfahren nicht aus.
Die angefochtene Entscheidung in ihrer mit der Widerspruchsentscheidung und der Äußerung der Bekl. vom 22. Februar 2002 im kirchengerichtlichen Verfahren gewonnenen Gestalt ist jedoch ermessensfehlerhaft.
Bei erneuter Bescheidung der Klin. wird die Bekl. eine auf den Einzelfall bezogene konkrete Abwägung der für oder gegen eine Genehmigung sprechenden Gesichtspunkte vorzunehmen haben. Sie ist jedoch aufgrund ihrer Entschließungsfreiheit nicht gehindert, bei der Prüfung von Genehmigungen für eine Funkfeststation von Anforderungen an die Ungefährlichkeit auszugehen, die über die Anforderungen nach staatlichen Gesetzen hinausgehen, und angesichts bestehender Forschungsdefizite bis zum positiven Nachweis mangelnder Gefährlichkeit jede denkbare Gefährdung zu vermeiden, die von einem kirchlichen Grundstück ausgehen könnte. Zu den in § 2 VwO angesprochenen dienenden Funktionen kirchlicher Vermögensverwaltung gehört mit der Ausrichtung am Auftrag der Kirche auch die Wahrnehmung der Verantwortung gegenüber Mensch und Schöpfung, speziell gem. § 33 Abs. 1 VwO bei der Pflege des Grundbesitzes die Beachtung ökologischer Gesichtspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs.1 VwGG.